Foto: Janette Fichtelmann |
Harmonische Ziegelfassaden prägen den kleinen Gebäudekomplex an der Ecke Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße/Zimmerstraße. Sicher sind sie schön anzusehen, aber was gibt es an ihnen aufzudecken? Kaum vorstellbar, dass an diesem Objekt fünf Bauphasen ablesbar sind. Es sind unauffällige, aber deutliche Spuren, die diese Entwicklung dokumentieren.
Um 1860 wurde ein Spritzenhaus für die Turnerfeuerwehr errichtet, dessen zwei Fenster an der Friedrich-Ludwig- Jahn-Straße an die Tore für die hand- oder pferdegezogenen Feuerwehrspritzen erinnern. Bei den Sanierungsarbeiten im Jahr 2004 wurden unter den Fußbodenschichten die alte Pflasterung sowie Fahrstreifen aus Granitblöcken freigelegt und dokumentiert. Diese Befunde sind erhalten und unter den neuen Nutzfußböden eingeschlossen worden. Die Strukturen des Dachtragwerk weisen auf ein flaches Satteldach aus der Bauzeit hin. Im Jahr 1873 entstand eine Turnhalle, die zunächst die halbe Größe des heutigen Gebäudes aufweist. Turnübungen wurden damals noch auf einem mit Holzspänen aufgefüllten Lehmstampfboden durchgeführt. Vermutlich hatte dieser ersten Hallenabschnitt ein dem Spritzenhaus ähnelndes Satteldach.
An der Westseite des Spritzenhauses wurde 1884 eine Kalfaktorwohnung angebaut, deren Obergeschoss auf die letzte Fensterachse des Bestandsgebäudes abgesetzt ist. Um diese Zeit dürfte auch das südseitige Nachbargebäude entstanden sein. Um das Regenwasser vom Dach des Spritzenhauses sicher abzuleiten, erhielt es ein flaches Pultdach, das heute noch sichtbar ist.
Im Jahr 1890 wurde die Turnhalle in nördlicher Richtung spiegelbildlich erweitert und erhielt ihr heutiges Aussehen. Diese Erweiterung zeigt von Weitsicht der Planung aus em Jahr 1873 und dem großen Respekt, mit der 17 Jahre später an die Vorgängerleistung angeknüpft wurde. Eine kaum wahrnehmbare Baufuge in der Gebäudesmitte sowie die unterschiedliche Ausbildung des
Fugennetzes an beiden Gebäudeteilen machen die beiden Bauphasen ablesbar. Das Dach wurde als neues Walmdach über die vergrößerte Halle gespannt. Der Mittelportikus verleiht dem sehr langgestrecktem Gebäude eine wohltuende Proportion. Kleinere Details wie die Bekrönung des bogenförmigen Tympanons gingen verloren und waren auf Grund der unzureichenden Quellen aus der Bauzeit nicht sicher zu rekonstruieren.
Ein kleinerer Funktionsanbau (Geräteraum und Heizungskeller) wurde 1927 an die Westseite der Turnhalle angefügt.
Mit der umfassenden Sanierung des Gebäudekomplexes in den Jahren 2003/04 wurden beide Gebäudeteile durch einen Verbindungsgang zusammengeführt. Die neu gestaltete Freifläche
rundet das Ensemble ab.
Mit der Sanierung ist es gelungen, die zeitgemäßen funktionalen Anforderungen an den Sporthallenbetrieb in die denkmalgeschützte Bauhülle zu integrieren. Neben wichtigen Gestaltungsdetails an den Fassaden, widerspiegelt auch der Hallenraum mit seinen zwei Spielfeldflächen die ursprüngliche Wirkung. Die Sanierungsarbeiten wurden restauratorisch begleitet, so dass hinsichtlich der Oberflächen- und Farbgestaltung eine weitgehende Authentizität der Erbauungszeit mit all ihren Umbau- und Erweiterungsspuren bewahrt werden konnte.
(Ulrich Sasse)